Mittwoch, 10. Februar 2016

Gucken sie nett oder verachtend?
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Vor ca. sechs Monaten haben wir uns kennengelernt und niemand war überrascht, dass er nicht mehr in den 20ern ist. Nicht das goldene Zeitalter und auch nicht der Lebensabschnitt. Viele Bücher und Filme beschäftigen sich mit dem Thema junge Frau/alter Mann. Man kennt die Szenen der ersten Aufregung, die Eifersuchten, die jungen Sexbomben, die reichen, schönen Männer, die Ehefrauen mit den Kindern. Alles langweilige, ausgelutschte Klischees, die alle stimmen und trotzdem fiktiv sind. Das hier ist eine echte Geschichte, die behandelt,  was passiert, wenn es nicht bei einer Affäre bleibt, wenn aus Vögeln, Liebe machen wird, wenn der Mann nicht mehr vermögend ist und man eigentlich ein ganz normales Paar ist. Nur, dass fünfzig Prozent dieses Paares, fünfzig Prozent des Lebens schon gelebt hat und der größte Teil davon, nur ein paar Jahre jünger ist als man selber. Davon erzählt dieser Blog. Von zwei Menschen, die sich auf eine Beziehung eingelassen haben. Trotz schwieriger Anfänge, eines ganz schwierigen Kennenlernens und einer mittelschweren Trennung. Das Comeback war  auch ein bisschen schwierig. Sechs Monate, viele Lügen, Kinder, Frau, Doppelleben, finanzielle Schwierigkeiten und der wunderschöne Moment, wenn man sich montags wieder in den Armen hält.

Was bisher geschah:
„Bist Du verheiratet und hast Du Kinder?“
„Das hast Du mich gestern schon gefragt.“
„Aber ich habe die Antwort vergessen.“
„Ja, und drei.“
Ein kurzes Lächeln, Kussmund, Tür zu. Ein kurzes Lächeln, umdrehen, einschlafen. Humor verbindet und ich wusste, dass er so antworten würde.
„Und wenn es kein Scherz war?“ fragte mich meine Freundin.
„Du hättest auch so geantwortet, wenn es nicht stimmen würde.“, stellte ich beim Essen fest, eine Woche später, nachdem mir nach dem vierten Mal nachfragen, in den Sinn kam, dass es doch stimmen könnte. Die Geschichte mit der Katze war zu überzeugend. Namen und Tätigkeiten der Kinder, Details zur eingeschlafenen Ehe, ich dachte, dass das alles ein Scherz gewesen wäre. War es nicht. Auf seinem Balkon dachte ich darüber nach zu gehen. Kein verheirateter Mann mit Kindern, nicht schon wieder. Das ist aufregend und bla bla bla aber diese Situation hatte ich schon/erlebt und wusste, dass es nicht noch einmal in Frage kommen würde. So schilderte ich ihm meine Gedanken und das für mich Unmögliche geschah. Er sagte, er hätte sich verliebt. In mich. Für Menschen, die normal aufwachsen, mit vierzehn, fünfzehn, was weiß ich, ihre erste Beziehung haben, klingt es komisch, dass man so einen Satz schockierend finden kann. Alles wurde mir gesagt, nur das nie. Ein Satz in dem irgendwie das Wort Liebe vorkommt, in Bezug auf etwas, in das ich verwickelt bin. Ich ging nicht. Auch nicht als ich später erfuhr, dass er mit seinem Namen gelogen hatte. Später erfuhr, dass er mit seinem Geburtsdatum gelogen hatte. Später erfuhr, dass er mit seinem Alter gelogen hatte. Noch viel später erfuhr, dass er mit der Trennung von seiner Frau gelogen hatte. Ich ging als mir das alles bewusst wurde und das ganze Weihnachtsfest darin bestand, rasend eifersüchtig, traurig und wütend zu sein. Als mir bewusst wurde, dass sich in den Büchern nie ein Mann von seiner Frau getrennt hatte. Die Junge verliert. Immer. Genug verloren, dachte ich und beendete. Ich dachte, es wäre eine Erleichterung für ihn. Nicht mehr lügen, heimlich telefonieren. Ich dachte, er wäre froh. Doch es riss ihm den Boden unter den Füßen weg und er kämpfte um mich. Anders als in den Büchern. Anders als in den Büchern kehrte er nicht als treusorgender Gatte zurück, geriet ich nicht in eine Lebenskrise, taten wir beide so, als wäre es nie passiert. Anders als in den Büchern kennt er meine Freunde, wissen meine Eltern von ihm. Anders als in den Büchern hat er seinen Job verloren, haben wir nun beide wenig Geld. Genau wie in den Büchern, hat er auch mein Doppelleben zufällig aufgedeckt. Genau wie in den Büchern träumen wir von einem gemeinsamen Leben.
Und wie im echten Leben sitzen wir im Restaurant, bemerken die Blicke und fragen uns: Gucken sie nett oder verachtend?